Ein Thema rückt ins Rampenlicht, das lange übersehen wurde: Schwangerschaft im Profifußball. Immer mehr Spielerinnen und Trainerinnen entscheiden sich bewusst für eine Familie und immer mehr Ligen, Vereine und Verbände schaffen die Voraussetzungen, damit das möglich ist.
In diesem Artikel geht es darum, was sich aktuell weltweit verändert, welche Rechte gelten und welche Clubs und Ligen schon heute mutig vorangehen.
FIFA schafft klare Regeln für Spielerinnen seit 2021, für Trainerinnen seit 2024
Im Jahr 2021 führte die FIFA erstmals Schutzrechte für schwangere Spielerinnen ein. Diese wurden im Reglement zum Status und Transfer von Spielern (RSTP) unter Artikel 18quater verankert. Seit Juli 2024 gelten diese Schutzrechte nun auch für Trainerinnen. Damit sind beide Gruppen erstmals gleichgestellt – weltweit und verbindlich.
Die Regelungen setzen einen globalen Mindeststandard. Nationale Gesetze oder Tarifverträge mit besseren Bedingungen gelten weiterhin vorrangig.
Zentrale Punkte der FIFA-Regelung:
- Mutterschaftsurlaub: 14 Wochen, mindestens 8 davon nach der Geburt. Zahlung: mindestens zwei Drittel des Gehalts.
- Adoptions- und Familienurlaub: Bis zu 8 Wochen, auch für nicht-biologische Mütter.
- Vertragssicherheit: Kündigungen wegen Schwangerschaft oder Elternzeit gelten als „ohne just cause“ – mit sportlichen und finanziellen Sanktionen für den Club.
- Flexible Rückkehr: Spielerinnen und Trainerinnen entscheiden selbst, wann und wie sie zurückkehren. Clubs müssen medizinisch und organisatorisch unterstützen.
- Stillzeit: Geeignete Stillräume müssen vorhanden sein. Gehaltseinbußen sind ausgeschlossen.
- Menstruationsgesundheit: Bei Beschwerden kann mit Attest bezahlter medizinischer Urlaub genommen werden.
Diese Clubs und Ligen setzen Maßstäbe
Einige Vereine und Ligen setzen die FIFA-Vorgaben aktiv um und gehen darüber hinaus.
Sie schaffen langfristige Sicherheit und ein professionelles, familienfreundliches Umfeld.
USA: NWSL (National Women’s Soccer League)
Die NWSL war eine der ersten Ligen mit umfassenden Rechten: 6 Monate voll bezahlter
Mutterschutz, medizinische Versorgung, Rückkehrrecht, Kinderbetreuung und familiensensible Reiseplanung. Spielerinnen wie Sydney Leroux, Amy Rodriguez und
Jessica McDonald kehrten erfolgreich als Mütter zurück.
Australien: A-League Women
Bis zu 12 Monate Elternzeit, garantierte Rückkehr in den Beruf und Unterstützung über die
Spielergewerkschaft, sowohl für Spielerinnen als auch für Trainerinnen.
Norwegen: Toppserien
Die norwegische Liga ist aktuell das europäische Vorbild, wenn es um strukturelle Gleichstellung geht. Seit April 2025 gilt: Wird eine Spielerin oder Trainerin im letzten Vertragsjahr schwanger, verlängert sich ihr Vertrag automatisch um ein Jahr. Diese Regelung gilt verbindlich für alle Clubs der höchsten Spielklasse und wurde gemeinsam mit dem Verband entwickelt, ein starkes Beispiel für nachhaltige Systemveränderung.
Italien: AC Milan
AC Milan hat als einer der ersten Clubs in Europa eigene familienfreundliche Maßnahmen eingeführt. Dazu gehören die Vertragsverlängerung bei Schwangerschaft, medizinische Nachsorge, Kinderbetreuungszuschüsse und flexible Arbeitsmodelle, ein positives Beispiel für Clubverantwortung innerhalb eines noch nicht einheitlich geregelten Ligabetriebs. Deutschland: TSG Hoffenheim
Im Mai 2025 führte die TSG Hoffenheim als erster deutscher Profiverein eine neue Regelung ein: Wird eine Spielerin oder Trainerin während der Vertragslaufzeit schwanger, verlängert sich ihr Vertrag automatisch. Diese Maßnahme ist neu im deutschen Fußball und orientiert sich an internationalen Best-Practice-Beispielen.
Vorbilder, die Mut machen
- Sara Björk Gunnarsdóttir gewann eine Klage gegen Olympique Lyon, nachdem ihr
während der Schwangerschaft das Gehalt verweigert wurde – ein Grundsatzurteil mit
weltweiter Wirkung. - Melanie Leupolz kehrte nach der Geburt ihres Sohnes zum FC Chelsea zurück, mit
Unterstützung des Vereins und als Führungsspielerin auf dem Platz. - Alex Morgan, Amy Rodriguez und Sydney Leroux zeigen, dass Weltklasse und
Mutterschaft sich nicht ausschließen.
Auch im Trainerbereich setzen Frauen Zeichen:
- Imke Wübbenhorst (YB Bern) kehrte nach der Geburt ihres Kindes auf die Trainerbank zurück, unterstützt durch einen strukturierten Rückkehrplan.
- Theresa Merk (SC Freiburg) spricht offen über ihre Rolle als Mutter und Cheftrainerin,
ein Vorbild für viele.
Weitere Trainerinnen weltweit leben ähnliche Realitäten, auch wenn sie öffentlich (noch)
nicht darüber sprechen.
Was Spielerinnen und Trainerinnen wissen sollten
- Wer im Profifußball arbeitet, hat klare Rechte, ob als Spielerin oder als Trainerin:
- Anspruch auf 14 Wochen bezahlten Mutterschaftsurlaub (mind. 2/3 des Gehalts)
- Kein Jobverlust oder Vertragsende aufgrund einer Schwangerschaft
- Adoptionsurlaub und Familienzeit für nicht-biologische Mütter
- Rückkehr zur Arbeit auf eigene Entscheidung mit medizinischer Unterstützung
- Stillrecht inklusive geeigneter Räumlichkeiten und vollem Gehalt
- Bezahlte Freistellung bei menstruationsbedingten Beschwerden mit ärztlichem Attest Bei Fragen helfen: Spielergewerkschaften, Landesverbände oder die FIFA direkt unter legal@fifa.org
Was Clubs und Ligen jetzt tun können
- Verträge anpassen: Schutzklauseln und Rückkehrregelungen fest verankern
- Infrastruktur schaffen: Stillräume, flexible Zeitmodelle, familienfreundliche Maßnahmen
- Führungskräfte sensibilisieren: Schulungen für Trainer- und Managementteams
- Ligaweite Standards etablieren: Einheitliche Lösungen wie in Norwegen oder den USA
stärken die gesamte Struktur - Offen kommunizieren: Familienfreundlichkeit ist ein Wettbewerbsvorteil
Blick nach vorn: Wer zieht nach?
Die FIFA hat den rechtlichen Rahmen geschaffen. Einige Ligen und Clubs haben
gehandelt. Doch noch ist Familienfreundlichkeit im Fußball keine Selbstverständlichkeit.
Welche Vereine folgen dem Beispiel von Milan, Hoffenheim und der NWSL? Und welche
Liga wird als Nächstes verbindliche Standards schaffen, für alle Profifrauen, auf und
neben dem Platz?
Die Antwort auf diese Fragen wird mitentscheiden, wie zukunftsfähig der Fußball wirklich
ist.
