More

    Zwischen Bank und Besserwisser

    - Advertisement -

    Hinweis: Zur besseren Lesbarkeit wird im Text die männliche Form („Spieler, „Trainer“ etc.) verwendet. Gemeint sind n alle Geschlechter.

    Wie Spieler, Eltern, Trainer, Berater und Vereine echte Entwicklung fördern können. Warum Entwicklung nicht durch Meinung, sondern durch ehrliche Reflexion, Kommunikation und Zusammenarbeit entsteht.

    Ein Tag am Platz – und die immer gleichen Gespräche

    Es ist ein sonniger Tag in Süddeutschland. Ich stehe, wie so oft, an einem Fußballplatz. Jugendspiel, ambitioniertes Niveau, engagierte Zuschauer, gespannte Stimmung. Als Spielerberater bin ich regelmäßig vor Ort. Ich beobachte nicht nur das Spiel – ich höre hin. Ich spreche mit Spielern, mit Eltern, mit Trainern. Und jedes Mal wieder begegnen mir dieselben Muster.

    Nach dem Spiel kommen die Gespräche. Ein Spieler ist enttäuscht, weil er nicht oder nur kurz gespielt hat. Ein Vater kommt auf mich zu, sucht Erklärungen. Die Mutter schaut fragend: „Was soll er denn noch machen?“

    Und dann höre ich Sätze wie:

    • „Ich versteh’s nicht – auch meine Mitspieler sagen, ich hätte heute spielen müssen.“
    • „Mein Vater meint, ich war im Training der Beste.“
    • „Der Trainer sieht’s einfach nicht.“
    • „Das ist nicht fair – das kann man doch nicht bringen.“

    Ich verstehe die Enttäuschung. Aber genau an diesem Punkt entscheidet sich, in welche Richtung es geht: Bleibt der Spieler in der Bewertung anderer oder geht er in die Reflexion seiner eigenen Rolle? Denn Entwicklung beginnt nicht mit Applaus, sondern mit Ehrlichkeit. Und sie gelingt nur, wenn alle Beteiligten bereit sind, Verantwortung zu übernehmen.

    1. Die eigene Rolle ehrlich einschätzen – statt sich blenden zu lassen

    Viele Spieler orientieren sich an Rückmeldungen aus dem Umfeld – Eltern, Mitspieler, Berater, Social Media. Doch das ist selten objektiv.

    Und auch Berater tragen Verantwortung: Wenn ein Berater dem Spieler ständig sagt, er sei „eigentlich dran“ oder „klar besser als andere“, entsteht ein verzerrtes Bild. Das fühlt sich im Moment gut an, kann aber Entwicklung massiv blockieren. Nicht jeder Push ist hilfreich.

    Fragen zur Selbstreflexion:

    • Wie war meine Trainingswoche, war ich fokussiert, konstant, belastbar?
    • Habe ich taktisch umgesetzt, was verlangt wurde?
    • Wie war meine Körpersprache, Kommunikation, Teamverhalten?
    • Hatte ich andere Dinge im Kopf, B. eine anstehende Klausur, Herausforderungen in der Beziehung, familiäre Spannungen oder persönlichen Druck?

    Auch das gehört zur Reflexion: Manchmal beeinflussen äußere Umstände unser Verhalten, ohne dass wir es direkt merken.Wer das erkennt, kann bewusst damit umgehen, sich Hilfe holen oder Dinge klarer ansprechen.

    Nur, wer ehrlich mit sich ist, kann lernen und wachsen. Und wer wirklich wachsen will, braucht ehrliche Begleiter – keine Bestätiger.

    1. Eltern – Spiegel statt Schutzschild

    Eltern wollen ihre Kinder schützen. Doch wenn sie Partei ergreifen statt zu spiegeln, nehmen sie ihnen die Chance auf echte Entwicklung.

    Statt: „Du bist besser als der, der gespielt hat.“,

    Besser:

    • „Wie hast du die Woche erlebt?“,
    • „Was lief gut – und wo hast du selbst Zweifel gespürt?“

    Eltern, die Raum für Reflexion geben statt Schuldige zu suchen, fördern Stärke – nicht Abhängigkeit.

    1. Trainer – klare Kommunikation statt stiller Entscheidungen

    Trainer treffen Entscheidungen, die für viele nicht spielende Spieler – und ihre Eltern – schwer nachvollziehbar sind.

    Wer spielt, hinterfragt selten. Er fühlt sich bestätigt, bekommt Spielzeit, Anerkennung, Aufmerksamkeit. Doch wer draußen sitzt, sucht Erklärungen und bekommt sie oft nicht, oder nur zwischen Tür und Angel.

    Dabei ist genau das die Zielgruppe, die Kommunikation am dringendsten braucht:
    Diejenigen, die kämpfen, sich entwickeln wollen, aber nicht wissen, wo sie stehen. Gute Trainer machen ihre Entscheidungen transparent. Sie sprechen nicht nur mit denen, die spielen – sondern besonders mit denen, die (noch) nicht spielen.

    Denn: Ein Trainer ist nur so gut wie sein „schwächstes Glied“ in der Mannschaft.

    Wer sich nur auf die Leistungsstärksten konzentriert, verpasst das größte Entwicklungspotenzial. Die, die gerade hadern, kämpfen oder noch Rückstand haben, gehören an die erste Stelle, nicht an den Rand. Dort entscheidet sich, wie belastbar, wie tief und wie tragfähig ein Team wirklich ist.

    Spieler sollten lernen zu kommunizieren und zu fragen:

    • „Was war ausschlaggebend?“
    • „Woran kann ich gezielt arbeiten?“
    • „Was fehlt mir aktuell noch zur Startelf?”

    Diese Fragen zeigen: Ich will verstehen, ich will wachsen, ich übernehme Verantwortung.

    So entsteht Vertrauen auch ohne Spielzeit. Denn wer lernt, sich respektvoll mitzuteilen, wird gehört und entwickelt sich nicht nur sportlich, sondern auch persönlich.

    Kommunikation ist kein Talent – sie ist Trainingssache.
    Und genau hier können Eltern, Berater und Trainer unterstützen, nicht, indem sie für den Spieler sprechen, sondern indem sie ihn ermutigen, es selbst zu tun.

    1. Feedback ist kein Extra – es ist die Grundlage

    Entwicklung braucht Orientierung. Regelmäßige, dokumentierte Feedbackgespräche sind der Schlüssel:

    • alle 4–6 Wochen
    • mit Stärken, Lernfeldern, konkreten Maßnahmen
    • nachvollziehbar und verbindlich

    So wissen Spieler, woran sie sind und woran sie arbeiten. Eltern können gezielt begleiten, statt zu spekulieren.

    1. Berater – Karrierebegleiter oder Illusionsverstärker?

    Auch wir Berater tragen Verantwortung. Wer nur pusht und Spielzeit fordert, schwächt langfristig. Wer immer sagt „Du bist dran“, ohne ehrliche Analyse, verführt zur Selbstüberschätzung.

    Ein starker Berater:

    • gibt ehrliches Feedback
    • zeigt Entwicklungspotenzial statt nur Marktwert
    • spricht auch unbequeme Dinge an
    • fördert echte Gespräche mit Trainern und Vereinen – nicht Gespräche über sie

    Auch Berater können schaden, wenn sie einseitig pushen, Druck erzeugen oder Erwartungen wecken, die (noch) nicht gerechtfertigt sind. Wirkliche Begleitung bedeutet: den Spiegel vorzuhalten, nicht das Wunschbild zu füttern.

    1. Perspektivwechsel – damit Entwicklung kindgerecht bleibt

    Gerade im Kinder- und Jugendbereich ist der Blickwinkel entscheidend. Zu oft wollen Eltern oder Trainer mehr als das Kind selbst. Sie reden von Profikarriere, Förderplänen und Leistungszentren, obwohl das Kind einfach nur spielen, Spaß haben und dazugehören möchte.

    Entwicklung beginnt beim Kind und nicht bei den Erwartungen der Erwachsenen.

    Trainer sollten sich fragen:

    • Bin ich gerade der Coach, den ich mir selbst als Kind gewünscht hätte?

    Eltern dürfen ehrlich prüfen:

    • Will mein Kind das wirklich – oder will ich es für mein Kind?

    Und ganz wichtig:
    Der Weg zum Profi ist lang, steinig, voller Rückschläge und nie garantiert.
    Wer langfristig bestehen will, braucht inneren Antrieb – keinen elterlichen Ehrgeiz.

    Ein Perspektivwechsel hilft allen Beteiligten:

    • sich auf das Wesentliche zu konzentrieren
    • den Druck zu reduzieren
    • echte Freude und Motivation beim Kind zu erhalten

    Denn: Ohne Begeisterung kein Durchhalten. Und ohne Durchhalten keine Entwicklung.

    1. Vereine & Berater – Entwicklung gemeinsam tragen

    Vereine und Berater dürfen keine Gegenspieler sein. Sie müssen Hand in Hand arbeiten, wenn es um die Entwicklung junger Spieler geht.

    Das bedeutet:

    • regelmäßige Austauschgespräche mit Spielern
    • regelmäßige Austauschgespräche auch mit Beratern
    • transparente Kommunikation über Entwicklung und Perspektive
    • Feedbackprozesse, an denen alle beteiligt sind
    • klare Vereinbarungen über gemeinsame Ziele

    In der Praxis sieht das leider oft anders aus: Berater werden aus Entwicklungsgesprächen außen vor gelassen, obwohl sie die Spieler oft über Jahre begleiten, mental unterstützen und einen entscheidenden Einfluss außerhalb des Platzes haben. Dabei geht es nicht darum, sich in sportlich-technische Entscheidungen einzumischen, sondern um die Frage: Wie können wir gemeinsam den Menschen hinter dem Spieler stärken?

    Als Agentur versuchen wir, bei Feedback- oder Entwicklungsgesprächen dabei zu sein, um den aktuellen Stand und das Standing des Spielers im Verein zu verstehen. So können wir gezielt unterstützen: emotional, kommunikativ, organisatorisch, aber nie über den Trainer hinweg.

    Deshalb lassen wir in Verträgen mit jungen Spielern und Vereinen häufig fest verankern, dass Feedbackgespräche im Beisein von sportlicher Leitung, Trainer, Spieler und Berater stattfinden. Weil echte Entwicklung Teamarbeit ist.

    1. Fazit: Entwicklung beginnt nicht mit Spielzeit – sondern mit Haltung

    Die große Frage ist nicht: „Warum spiele ich nicht?“, sondern: „Was brauche ich, um bereit zu sein?“

    Ob Spieler, Eltern, Trainer, Berater oder Verein – wer ehrlich spiegelt, wer zuhört, wer Verantwortung übernimmt, der schafft Entwicklung.

    Denn: Wer lernt, in den Spiegel zu schauen, wird irgendwann genau dort stehen, wo er hingehört.

    - Advertisement -
    Ersel Aybasti
    Ersel Aybasti
    Ersel Aybasti is an Industrial Engineer, licensed FIFA Football Agent, and co-founder of a sports management agency. He leads The Women’s League, promoting women’s football, and is driven by honesty, respect, and growth through engineering, entrepreneurship, and empowering athletes and coaches on and off the pitch.

    Related Articles

    Latest Articles