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    Der Druck aus sozialen Medien & Co. – Wie Jugendliche verblendet werden und immer mehr unter psychischem Leistungsdruck stehen

    Die Illusion des perfekten Lebens

    „Soy Georgina“ (zu Deutsch: „Ich bin Georgina“) – so heißt die Netflix-Dokumentation über die Partnerin von Cristiano Ronaldo. Inzwischen gibt es bereits zwei Staffeln, in denen es lediglich um den Alltag einer „Spielerfrau“ und Mutter geht. Es ist keine Seltenheit, dass die Partnerinnen weltbekannter Fußballstars in den sozialen Medien sehr aktiv sind. Einige von ihnen waren sogar schon vor ihrer Beziehung mit einem Profifußballer berühmt. Doch inwiefern setzen solche vermeintlich alltäglichen Szenarien Jugendliche unter Druck? Steigt durch diese medial vermittelte Lebensrealität der innere Zwang, ebenfalls ein solches Leben führen zu müssen? Und leidet möglicherweise sogar die schulische Bildung darunter?

    Ein Leben zwischen Schule, Social Media und Leistungsdruck

    Jugendliche verbringen einen Großteil ihres Tages in der Schule, wo sie oft Stress, Hausaufgaben, frühes Aufstehen und kontinuierliches Lernen mit ihrem Alltag verbinden. Ihre Freizeit ist kostbar, wird aber ebenfalls durch Verpflichtungen und Aktivitäten bestimmt – sei es durch Fußball, andere Hobbys oder durch das ständige Konsumieren sozialer Medien.

    Neben ihrer Leidenschaft für den Sport sind Jugendliche tagtäglich einer Flut an Informationen ausgesetzt: Lifestyle, Mode, Politik, Gesundheit, Luxus, Reisen – und natürlich noch mehr Fußball. 

    Doch ist all das überhaupt für einen Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 18 Jahren zu bewältigen? Zumal sie sich in einer Lebensphase befinden, die ohnehin von hormonellen Umstellungen und Selbstfindung geprägt ist? Die Antwort darauf ist individuell, doch eines steht fest: Jugendliche haben es heute keineswegs einfach.

    Die Realität sieht so aus: Viele von ihnen hegen den Traum, einen bestimmten Lifestyle zu leben – nicht nur für sich selbst, sondern auch, um ihren Liebsten ein sorgenfreies Leben zu ermöglichen. Eine enorme Last auf ihren Schultern. Doch wie soll man sich auf die Schule konzentrieren, wenn der Profifußball als einziger gangbarer Weg erscheint?

    Welche Verantwortung tragen berühmte Fußballpersönlichkeiten?

    Kehren wir zurück zu Georgina und Cristiano Ronaldo. Die Dokumentation zeigt ihren Glamour, ihren Luxus – und präsentiert genau das, was viele Mädchen als absoluten Traum ansehen: teure Markenkleidung, edlen Schmuck, Privatjets für sich und ihre Freunde sowie eine beeindruckende Luxusvilla.

    Auch Cristiano Ronaldo selbst teilt seinen extravaganten Lebensstil offen in den sozialen Medien. Seine Disziplin und gesunde Lebensweise sind zweifelsohne vorbildlich, doch gleichzeitig posiert er stolz mit seinen Sportwagen und Luxuskarossen. Die unterschwellige Botschaft scheint zu lauten: „Trainiert so hart wie ich, dann könnt ihr auch dieses Leben führen.“

    Doch ist es wirklich so einfach? Nehmen wir das Beispiel eines 16-jährigen Stürmers, der in der U17 eines Bundesligisten spielt. Selbst wenn dieser Spieler noch härter trainiert, seine Ernährung perfektioniert und jede freie Minute in den Fußball investiert – wird er dann automatisch den Erfolg und den Reichtum eines Cristiano Ronaldo erlangen? Die bittere Wahrheit: Nur ein Bruchteil der Talente schafft tatsächlich den Durchbruch in den Profifußball. Die Mehrheit wird es nicht schaffen.

    Wenn Träume zerplatzen – die Schattenseiten des Leistungsdrucks

    Das Ergebnis dieser unrealistischen Erwartungen? Eine Vielzahl an Jugendlichen mit geplatzten Träumen. Viele von ihnen haben womöglich auch schulisch Defizite, weil sie ihren Fokus vollständig auf den Fußball gelegt haben. Wenn dann die erhoffte Karriere ausbleibt, bleiben Selbstzweifel, mangelndes Selbstbewusstsein und ein geschwächtes Selbstwertgefühl zurück. Doch wann ist der richtige Zeitpunkt, um sie mit der Realität zu konfrontieren? Und was kann man tun, um sie mental zu unterstützen?

    Unterstützung und Bewusstsein – der richtige Umgang mit Erwartungen

    Wie stark das Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl von Jugendlichen in die Erziehung integriert wird, ist stark von kulturellen Aspekten geprägt. Dennoch liegt die Verantwortung nicht nur bei den Familien, sondern auch bei Fußballvereinen und Offiziellen. Einige Top-Klubs haben den Wandel erkannt und bieten bereits in ihren Nachwuchsmannschaften psychologische und mentale Unterstützung an – allerdings ist dies stark von der finanziellen Situation der Vereine abhängig.

    Eine der wichtigsten Maßnahmen bleibt das offene Gespräch. Jugendliche neigen dazu, ihre Gedanken und Sorgen zu verbergen – oft fühlen sie sich ihren Freunden näher als ihrer eigenen Familie. Auch Lehrer und Trainer stehen vor der Herausforderung, den richtigen Umgang zu finden. Wann sollten sie eingreifen? Wie weit dürfen sie gehen, ohne die Jugendlichen zusätzlich zu belasten?

    Es gibt keine einzelne Lösung – stattdessen braucht es verschiedene Wege, um Jugendliche mental zu unterstützen. Schon das Bewusstsein der Eltern für die emotionalen Herausforderungen ihrer Kinder kann viel bewirken. Vielleicht dürfen sie das Zimmer mal ein paar Tage später aufräumen oder äußern, wenn ihnen das Abendessen nicht schmeckt. Sie dürfen anderer Meinung sein und auch mal dem Trainer ihre Gedanken mitteilen. Sie dürfen träumen, aber auch zweifeln.

    Was wirklich zählt: Liebe, Vertrauen und Perspektiven

    Eines sollte man Jugendlichen jedoch niemals nehmen: die Liebe, das Vertrauen und die Dinge, die ihnen am Herzen liegen. Sport – sei es Fußball oder eine andere Disziplin – hat über Jahrzehnte hinweg Jugendliche von negativen Einflüssen bewahrt. Nur weil sie keine Superstars werden oder mit dem Privatjet um die Welt reisen, bedeutet das nicht, dass sie weniger wert sind.

    Letztlich ist es wichtiger, dass sie ihren eigenen Weg finden – unabhängig davon, ob er mit Reichtum und Ruhm verbunden ist. Denn am Ende zählt nicht das materielle Glück, sondern die innere Zufriedenheit.

    Cagri Yildirim
    Cagri Yildirim
    Cagri, studied Marketing (BSc) in Germany with Turkish roots, combines his passion for football with investment, analytical and psychological expertise. A FIFA-licensed agent, sports mental and former amateur coach, he works at Daimler Truck AG in global market development. With a background in management, he supports players holistically on and off the pitch.

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